Performativität

Marlies Wirth, Kuratorin MAK NITE Lab

Der Begriff Performativität verlagert den Fokus auf die Tätigkeiten des Produzierens und Herstellens und auf jene Handlungen, Austauschprozesse, Veränderungen und Dynamiken, die Akteure und kulturelle Ereignisse ausmachen. Im Zentrum stehen also weniger Gegenstände, Monumente und Kunstwerke, die als Repräsentation einer Kultur und deren Selbstverständnisses betrachtet werden, sondern die dynamischen Prozesse, in denen sie hergestellt und verwendet werden.

Performative Arbeiten destabilisieren die Grenzen zwischen „freier“/angewandter Kunst und populärer Kultur und stellen aufgrund ihrer oft multimedialen Konzeption die Gattungsgrenzen infrage.

 

>> Performance hat sich in der westlichen Moderne nicht nur als Aufführungspraxis einer medialen Öffentlichkeit etabliert, sondern auch als eine Art „szenische Kunstpraxis“. Unter dem Aspekt „For Change“ können performative Kunstformen vieles thematisieren: soziale Ordnungen, kulturelle Konventionen und Zeichen, politische und ästhetische Provokation, die Suche nach Utopien und heterotopischen Räumen, das Zeigen des Abwesenden, das Aufspüren von Verdrängtem und Vergessenem – kurz: Performativität schafft Möglichkeitsräume und strebt danach eine ästhetische Strategie zu finden, um die immer subtiler gewordenen Grenzen zwischen Darstellung und Spektakel, Spiel und Ernst, Realem und Imaginärem auszuloten.

 

Gerade indem Performativität ästhetische Praxis im sozialen Prozess definiert, ist Performancekunst ein „serious game“, das nicht vorgibt zu sein, sondern sich tatsächlich ereignet, Gegenwart herstellt und unwiederholbar ist. Im Hinblick auf einen performativen Ansatz im Bereich Design, unter dem Gesichtspunkt von Design als Denkraum und Handlungsstrategie ist auch das Konzept des „DIY“ (do it yourself) einzuordnen, mit dem (auch ohne klassischen „Workshop-Charakter“) eine Form von „Design-Performance“ entwickelt werden kann.

 

>> Installation als spezifisches Konzept des künstlerischen, designerischen oder architektonischen Arbeitens trägt in ihrer raumgreifenden Qualität und den daraus abzuleitenden Erlebniselementen ein großes performatives Potential in sich, das in der Lage ist, einen originären und individuellen Kontext zu schaffen, innerhalb dessen Themen und Fragestellungen interpretiert werden können. Die „performative Installation“ (in Bezugnahme auf den von Nicolas Bourriaud geprägten Begriff der Relational Aesthetics bzw.Social Practice, wie u.a. Rirkrit Tiravanija in seinen Social Cooking Performance-Installationen zeigt) bindet die Ereignishaftigkeit der Performativität in die Materialtät einer Installation, im Sinne einer Simultaneität von Handlung und Erfahrung bzw. die Ereignishaftigkeit der künstlerischen Produktion (als Prozess) wirkt in der Installation weiter.

 

Die performative Installation vereinigt also Präsenz und Repräsentation, ephemere und statische Elemente, Immaterialität und Materialität. Damit unterscheidet sie sich von der Performance „als singulärem Akt“ (im Sinne Judith Butlers), da es nicht um die Auflösung des Werks im Ereignis sondern um deren Symbiose geht. Performative Installationen können mittels konstruierter Situationen Wirklichkeit inszenieren, Narration und Kommunikation eine räumliche Erscheinung geben und können als „performing architecture“ und „performing change“ betrachtet werden.

 

>> Film ist im Hinblick auf die Frage wie man sich Architektur und Design performativ nähern kann ein ungewöhnliches, aber auch naheliegendes Medium. Die Wahrnehmung eines Ortes (oder einer Architektur) wird durch das gezielte und subjektive Gelenkt-Werden des Blicks der RezipientInnen, durch das Sehen mit den Augen eines anderen, neu definiert. Eine filmische Arbeit ist, ebenso wie eine Performance, der Inbegriff einer „konstruierten Situation“. Das Gegebene, bereits Gemachte, das industrielle Produkt, die technisierte Bildproduktion erfährt eine Bedeutungsverschiebung in der modernen, voyeuristischen Struktur von Wahrnehmung.

 

Von einem konzeptuellen Standpunktaus betrachtet, kann eine filmische Arbeit (analog zu Lucy Lippards Six Years: The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972, University of California Press, 1973/1997) als entmaterialisierten Form von Performativiät bezeichnet werden, bei der es um die Wahrnehmung von Verhaltensweisen und Denkprozessen per se geht. Die direkte Erfahrung vor Ort spielt dabei keine Rolle, da durch die Konzentration auf das „kuratierte“ (bewegte) Bild eine andere Form von Aufmerksamkeit gegenüber sinnlichen und visuellen Phänomenen erreicht werden kann.

 

In diesen Bereich ist auch die zeitgenössische Produktion von Visuals (im Unterschied zum klassischen VJing) einzuordnen, die (wie auch in der Kooperation mit dem sound:frame Festival) als spannende und zukunftsweisende Sonderform angewandter Kunst gedeutet werden kann.